Der Koalitionsvertrag ist verabschiedet, Deutschland hat eine neue Regierung. Die Bundeskonferenz der Migrantenorganisationen (BKMO) blickt optimistisch auf die nächsten vier Jahre und stellt klar: Für einen Paradigmenwechsel in der Bekämpfung von Rassismus braucht es nun rasche konkrete Gesetze und wirksame Maßnahmen.
„Mehr Fortschritt wagen – dieses Ziel können wir im Koalitionsvertrag durchaus wiedererkennen: Ob Liberalisierung des Staatsangehörigkeitsrechts und Offensive für mehr Einbürgerungen, die Initiative für ein Bundespartizipationsgesetz und einen Partizipationsrat, leichtere Zugänge zu Integrationskursen, Verbesserungen im Asylrecht wie bspw. dem Zulassen unabhängiger Asylverfahrensberatung oder die Reform des AGG und der Ausbau von Antidiskriminierungsstellen. Hier werden ganz zentrale und dringend nötige Vorhaben genannt, die wir als BKMO gemeinsam mit vielen anderen (post)migrantischen und zivilgesellschaftlichen Organisationen schon seit Jahren fordern. Jetzt ist es wichtig, diese Vorhaben schnell anzugehen und den gesellschaftlichen Aufbruch auch in die Tat umzusetzen“, erklärt Dr. Kamila Schöll-Mazurek, Ko-Sprecherin der BKMO.
„Nehmen wir einmal das Beispiel Einbürgerungen. Natürlich begrüßen wir, dass die Koalition die Hürden für Einbürgerungen herabsetzen und Einbürgerungen auch offensiv bewerben will. Dass das funktionieren kann, sehen wir seit vielen Jahren am Beispiel Hamburg, wo Einbürgerungsfeiern und persönliche Einladungsbriefe bundesweit zu den höchsten Einbürgerungsquoten führen. Aber klar ist auch: Hürden herabzusetzen alleine reicht bei weitem nicht aus! In meinem Heimatbundesland Sachsen-Anhalt sehe ich, dass Anträge monate-, manchmal sogar jahrelang liegenbleiben. Gerade in einem migrationsarmen Land wie Sachsen-Anhalt soll jeder Antrag willkommen sein. Daher braucht es einen Rechtsanspruch auf eine Bearbeitungszeit der Anträge von 3-6 Monaten“, ergänzt Mamad Mohamad, ebenfalls Sprecher der BKMO. Um diese zu ermöglichen und die richtigen Zeichen für Verwaltung, Justiz und Gesellschaft zu setzen, brauchen wir eine Bleiberechtsoffensive!
„Außerdem braucht es eine enge Abstimmung mit den Ländern“, so Mohamad weiter. „Das Land Berlin hat in seinem Koalitionsvertrag bspw. festgelegt, ein Landeseinbürgerungszentrum einzurichten und Anträge dort zentral und innerhalb von drei Monaten zu bearbeiten. Genau so kann es funktionieren!“
Gespannt blickt die BKMO auch auf die konkrete Umsetzung des Maßnahmenkatalogs des Kabinettausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus – einem Schwerpunktbereich der Ampel-Koalition.
Dr. Schöll-Mazurek dazu: „Einige unserer Kritikpunkte am Maßnahmenkatalog wurden erfreulicherweise im Koalitionsvertrag aufgenommen; nun gibt es eine Regierung, die das gesamtgesellschaftliche Problem von Rassismus institutionell verankern und ressortübergreifend bekämpfen möchte. Schade, dass sich die Parteien dafür nicht auf ein eigenständiges progressives Ministerium für Gleichstellung einigen konnten.“ Als Grundlage rät die BKMO dringend dazu, eine verbindliche Definition von strukturellem und institutionellem Rassismus sowie Alltagsrassismus basierend auf internationalen Standards zu formulieren, um die Behörden handlungsfähiger zu machen.
Abschließend fügt Mohamad hinzu: „Wir sind erfreut, dass ein Mitglied des Kabinetts und mehrere Staatssekretär*innen mit Migrationsgeschichte in den nächsten vier Jahren die Geschickte des Landes mit verantworten. Das macht ein Stück weit unsere gesellschaftliche Realität sichtbar – endlich auch in den höchsten politischen Ämtern! Gleichzeitig hätten wir uns natürlich gewünscht, dass mindesten 2-3 Minister*innen mit Migrationsgeschichte mitregieren. Wir leben hier und wollen unser Land auf allen Ebenen mitgestalten!“
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26% der Menschen in Deutschland haben Migrationsgeschichte und brauchen eine Stimme: Die Bundeskonferenz der Migrant*innenorganisationen (BKMO) ist ein Zusammenschluss von über 70 Migrant*innenorganisationen mit dem bundespolitischen Anspruch, als Ansprechpartner von Bundestag und Bundesregierung politische Impulse zu setzen und zu einer zukunftsgewandten, alle umfassenden und teilhabeorientierten Politik beizutragen. www.bundeskonferenz-mo.de
Der Vertreter*innenrat der BKMO
Michael AlliMadi, Panafrikanische Organisation; Ehsan Djafari, Iranische Gemeinde in Deutschland e.V.; Sami Dzemailovski, Verband für interkulturelle Wohlfahrtspflege Empowerment und Diversity; Meral El, neue deutsche organisationen e.V.; Dunja Khoury, Verband Deutsch-Syrischer Hilfsvereine; Mamad Mohamad, Landesnetzwerk Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt e.V.; Marianne Ballé Moudoumbou, Pan African Women’s Empowerment and Liberation Organisation; Galina Ortmann, Bundesverband interkultureller Frauen BiFeV; José Manuel Paca, Dachverband der Migrantenorganisationen in Ostdeutschland; Dr. Kamila Schöll-Mazurek, Polnischer Sozialrat e.V.; Susanna Steinbach, Türkische Gemeinde in Deutschland e.V.; Karen Taylor, Each One Teach One (EOTO) e.V.; Efe Ural, Young Voice TGD e.V.
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