Das Maßnahmenpaket wird sich daran messen lassen müssen, ob es tatsächlich effektive und verbindliche Maßnahmen für eine rassismusfreie und chancengerechte Einwanderungsgesellschaft vorsieht. Für die Bundeskonferenz der Migrant*innenorganisationen (BKMO) steht fest: Ein Weiter so mit gut gemeinten Gesten kann und darf es nicht geben.
Nach einer Reihe rassistischer und rechtsextremer Anschläge wie den Morden in Hanau wurde im März 2020 der Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus eingesetzt. Seither wurden wichtige Chancen versäumt, ernst gemeintes Engagement zu zeigen: etwa eine umfassende Studie zu Rassismus in staatlichen Behörden, insbesondere Racial Profiling der Polizei, durchzuführen. „Zu viele Menschen machen in ihrem Alltag leider die Erfahrung, dass Rassismus tief in unserer Gesellschaft verankert ist und sich auch in allen Institutionen niederschlägt. Wenn wir Rassismus ernsthaft und nachhaltig bekämpfen wollen, müssen wir uns die Strukturen anschauen, die bestimmte Gruppen unserer Gesellschaft systematisch benachteiligen und ausgrenzen: die Schulen und Schulbehörden, die Polizei, die Verwaltungen“, sagt Marianne Ballé Moudoumbou, Mitglied im Vertreter*innenrat der BKMO. „Dafür fordern wir zunächst einmal eine gemeinsame Definition von institutionellem Rassismus als Arbeitsgrundlage, denn nur so erlangen Behörden die notwendige Handlungsfähigkeit.“
Die BKMO hatte im Juli 2020 einen Begleitausschuss mit Expertinnen und Experten ins Leben gerufen, der Ende August die Antirassismus-Agenda 2025 veröffentlicht hat: Ein Reformpaket mit konkreten Zielen und Indikatoren für Politik und Verwaltung. Eine Forderung in der Agenda ist eine gesetzliche Grundlage der Demokratiearbeit und -förderung, die auch von etlichen anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen gefordert wird: „Es ist begrüßenswert, dass sich die Mitglieder des Ausschusses einig sind, dass das Engagement gegen Rechtsextremismus, Rassismus und jedwede Menschenfeindlichkeit verstetigt und erweitert werden muss. Wir rufen den Ausschuss dazu auf, nun auch die entsprechenden Eckpunkte für ein Demokratiefördergesetz zu verabschieden. Nur so kann die zivilgesellschaftliche Demokratiearbeit auch auf ein nachhaltiges Fundament gestellt werden!“, erklärt Mamad Mohamad, ebenfalls Vertreter der BKMO.
Insgesamt umfasst die Antirassismus-Agenda der Migrant*innenorganisationen und postmigrantischen Initiativen 5 Kernforderungen, die neben dem Demokratiefördergesetz und einer gesetzlichen Definition von Rassismus auch ein Partizipationsgesetz auf Bundesebene, ein neues Staatsziel im Grundgesetz als Bekenntnis zur Einwanderungsgesellschaft und zu Antirassismus, die Erweiterung politischer Teilhabechancen von Drittstaatler*innen sowie eine umfassende Stärkung des Diskriminierungsschutzes beinhalten (vgl. ausführlich hier).
Die BKMO wird das Maßnahmenpaket kritisch prüfen und die Arbeit des Kabinettsausschusses weiterhin begleiten. „Wir sind sehr gespannt, ob in dem Maßnahmenpaket die Expertisen der Menschen Berücksichtigung finden, die von Rassismus betroffen sind. Denn das ist“, so Begleitausschuss-Mitglied Saraya Gomis abschließend, „für den nötigen radikalen Paradigmenwechsel hin zu einer konsequenten Teilhabepolitik unerlässlich. Und zu diesem Paradigmenwechsel gehört selbstverständlich auch, dass sich die Maßnahmen angemessen im Haushalt wiederfinden.“
[1] 21,2 Millionen Menschen in Deutschland haben aktuell einen sog. Migrationshintergrund, so die Zahlen des statistischen Bundesamtes für das Jahr 2019 (vgl. hier)