Positionspapier zu den Koalitionsverhandlungen: So führen wir Deutschland zusammen.

März 2025 – Positionspapier der Bundeskonferenz der Migrant*innenorganisationen (BKMO) zu den Koalitionsverhandlungen der Bundesregierung 2025

Eine konkrete Gestaltung der Migrationsgesellschaft für mehr Gleichstellung

Wir als Bundeskonferenz der Migrant*innenorganisationen (BKMO) repräsentieren die Vielfalt der knapp 25 Millionen Menschen mit Migrationsgeschichte in Deutschland. Wir gestalten dieses Land wirtschaftlich und sozial aktiv mit, setzen uns für seine Werte ein und bringen unsere Expertise ein. Für eine funktionierende Migrationsgesellschaft fordern wir jetzt:

A. Deutschlands Gesellschaft zukunftsfähig machen

  1. Bekenntnis zum novellierten Staatsangehörigkeitsgesetz und Ausbau des Ius Soli-Grundsatzes – keine Rückabwicklung oder Ausbürgerungen.
  2. Bundespartizipationsgesetz mit verbindlichen Regelungen zur Ermöglichung gleichberechtigter Teilhabe, Förderung von Chancengleichheit und Beseitigung struktureller Benachteiligung (z.B. Zugang zur Verwaltung).
  3. Wahlrecht für alle, die langfristig in Deutschland leben, unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft. Erster Schritt: Allgemeines kommunales Wahlrecht für alle dauerhaft in Deutschland lebenden Menschen, auch für Drittstaatsangehörige.
  4. Die Einrichtung eines „Partizipationsrats Einwanderungsgesellschaft“, der mehrheitlich aus Personen mit Migrationsgeschichte besteht und bei allen Gesetzesvorhaben, die die soziale, wirtschaftliche und politische Partizipation von Personen mit Migrationsgeschichte bzw. Diskriminierungserfahrung berühren, angehört wird.

B. Staatliche Verstetigung in der Eindämmung von institutioneller Diskriminierung

  1. Dauerhafter Erhalt der Beauftragten für Integration und Antirassismus auf höchster staatlicher Ebene (Kanzleramt) sowie eine gleichbleibende finanzielle Ausstattung der Projekte.
  2. Neuauflage eines verbindlichen Nationalen Aktionsplans gegen Rassismus, dem eine verbindliche Rassismus-Definition zu Grunde liegt.
  3. Novellierung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), einschließlich Ausdehnung auf staatliches Handeln.
  4. Erhebung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zur obersten Bundesbehörde mit umfassenden Rechten und einem Budget von mindestens 40 Millionen Euro.

C. Politische Bildung und Demokratieförderung

  1. Fortführung des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ auf Basis eines Demokratiefördergesetzes sowie Stärkung weiterer Bundesprogramme wie „Menschen Stärken Menschen“.
  2. Professionalisierung, gezielter Ausbau und projektunabhängige Finanzierung von community-basierten Beratungs-Strukturen mit migrantischen Selbstorganisationen durch die Bundesbörden, u.a. durch die Erweiterung der Strukturförderung für migrantische neue deutsche Organisationen beim BAMF und die Schaffung eines Zentrums für bundesweite Migrant*innenorganisationen mit Büros in jedem Bundesland. 3. Gezielte Förderung von Migrant*innenorganisationen und neuen deutsche Organisationen in Ostdeutschland.
  3. Institutionelle Stärkung (ohne Generalverdacht) von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich für Demokratie einsetzen.
  4. Umsetzung der fortgesetzten UN-Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft durch konkrete Maßnahmen der Bundesregierung.
  5. Finanzierung von Forschung, die der Vielfalt Deutschlands entspricht, und die Perspektiven aller einbezieht durch die Einführung einer Förderrichtlinie zu Community-basierter Forschung, die v.a. die Expertisen marginalisierter Gruppen adressiert und somit zur Demokratisierung der Forschungslandschaft beiträgt.

D. Innere Sicherheit für alle

  1. Konsequente Bekämpfung von Rechtsextremismus als größte Gefahr für unsere Demokratie.
  2. Konsequente Verfolgung von und Anwendung des bestehenden Strafrechts gegenüber Straftätern statt einer Vermischung von Themen der inneren Sicherheit mit aufenthaltsrechtlichen Fragen.
  3. Flächendeckende, niedrigschwellige und mehrsprachige psychosoziale Versorgung, um Radikalisierungstendenzen frühzeitig entgegenzuwirken.

E. Humanität und Verantwortung

  1. Klares Bekenntnis zur Genfer Flüchtlingskonvention und eine humane Umsetzung des Asylrechts.
  2. Wahrung von Schutzrechten auch an den Grenzen Deutschlands sowie eine menschenrechtsbasierte Aufnahmepolitik.
  3. Faire Asylverfahren und menschenwürdige Aufnahmebedingungen, einschließlich Gesundheitsversorgung, Familiennachzug und Angeboten flächendeckender, psychosozialer Begleitung.
  4. Keine Abkommen mit und keine Abschiebung in Länder, in denen Erwachsenen und ihren Kindern eine Zwangsrekrutierung für bewaffnete Konflikte droht.
  5. Echte Teilhabe für Geflüchtete, durch Zugang zu Arbeit, gesicherte Ausbildung und gesicherte Finanzierung von Integrations- und Sprachkursen sowie erleichtertes Bleiberecht.
  6. Abkehr von der Bezahlkarte für Geflüchtete, da sie Bürokratie und Versorgungshürden schafft.
  7. Verknüpfung von Bundesaufnahmeprogrammen mit spontanen Asylverfahren für eine flexiblere Steuerung.
  8. Programme der Regularisierung für Menschen in aufenthaltsrechtlicher Illegalität nach Prinzip der Verwurzelung z.B. durch Nachweis eines ununterbrochenen Aufenthalts von drei Jahren und der Vorlage eines Arbeitsvertrages.
  9. Eine Erweiterung von § 25c AufenthG bei Erfüllung zentraler Voraussetzungen wie Sprachkenntnisse, keiner Verurteilung wegen vorsätzlicher Straftaten und Bereitschaft zur hinreichenden Lebensunterhaltssicherung.
  10. Anrechnung ehrenamtlicher Tätigkeiten als Teil der Lebensunterhaltssicherung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels, unterstützt durch die Schaffung einer Koordinationsstelle bei Ausländerbehörden mit Kontakten zur Wohlfahrt.

F. Zugang zum Arbeitsmarkt und moderne Einwanderungsgesellschaft

  1. Abbau bürokratischer Hürden bei der Anerkennung von Abschlüssen und Qualifikationen aus dem Ausland. Dazu gehört die Möglichkeit einer nachweislich erlangten Qualifikation durch eine sozialpflichtige Beschäftigung.
  2. Optimierung von Ankunftsstrukturen durch Entbürokratisierung, Zentralisierung und Digitalisierung, u.a. durch ein One-Stop-Government-Verfahren.
  3. Aufbau von Bildungscampussen zur gezielten Förderung von Qualifikationen; bestenfalls in Zusammenarbeit mit relevanten Stakeholdern aus Wirtschaft und Industrie.
  4. Zugang zum Arbeitsmarkt für Geflüchtete von Anfang an, unabhängig vorliegender Sprachkenntnisse. Hierzu soll eine zentrale Schnittstelle geschaffen werden zwischen Ausländerbehörden und Jobcentern.
  5. Förderung der gezielten Migration durch ein Bundes-Fachkräfteprogramm zur Deckung des Fachkräftebedarfs mit klaren Regeln, schnellen Anerkennungsprozessen von beruflichen Qualifikationen und auf Grundlage von fairen Anwerbeabkommen.
  6. Vereinfachter Zuzug von Selbstständigen und Unternehmern zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes. Hierzu gehört die Einführung eines Firmengründungsvisums, beschleunigte Verfahren nach § 81a AufenthG und die Reformierung alter Regelungen (§21 AufenthG).

G. Außen- und Entwicklungspolitik Deutschlands

  1. Anwendung allgemein geltender Menschenrechtsprinzipien und Konventionen in allen Bereichen der Außen- und Entwicklungspolitik, insbesondere Fortbestehen der Grundprinzipien einer feministischen, Mädchen und Frauen fördernden Außen- und Entwicklungspolitik.
  2. Umsetzung eines wirksamen Lieferkettengesetzes zur Durchsetzung aller Menschenrechte, insbesondere von Kinderrechten.
  3. Entwicklung neuer Impulse zur Aufarbeitung der Zeit der Versklavung, der Kolonialzeit, der Zeit des Nationalsozialismus und des geteilten Deutschlands und deren Auswirkungen bis zum heutigen Tag aus der Perspektive und in Kooperation mit den Organisationen und Communities der Nachfahren der Opfer, einschließlich der Restitutionen u.a. von Fragmenten menschlicher Körper und entsprechender Reparationen für begangene Genozide und Gräueltaten.

Das Positionspapier als PDF.