Kommentar des Vertreter*innenrates der Bundeskonferenz der Migrant*innenorganisationen zur geplanten Reform des Staatsangehörigkeitsrechts

Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat angekündigt, die im Koalitionsvertrag vereinbarte Reform des Staatsangehörigkeitsrechts voranzutreiben. Menschen mit ausländischem Pass, die gewisse Voraussetzungen erfüllen, soll es so ermöglicht werden, bereits nach fünf (statt bisher acht) und bei besonderer „Integrationsleistung“ bereits nach drei Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen. Gleichzeitig soll Mehrstaatigkeit möglich sein. Die Bundeskonferenz begrüßt ausdrücklich diese geplante Reform des Staatsangehörigkeitsrechts – bedeutet sie doch vermehrt die Chance der gesellschaftlichen und politischen Partizipation eines immer größer werdenden Anteils der Bevölkerung in Deutschland.

Kreise der Medien und der Politik halten (erwartungsgemäß) dagegen und bedienen sich rassistischer Narrative, die absurd erscheinen. Es wird ein Horrorszenario migrierender Massen in die deutschen Sozialsysteme gezeichnet. Absurd, denn auch nach der geplanten Reform wird die deutsche Staatsbürgerschaft nicht „verschenkt“ – Menschen, die diese beantragen, müssen weiterhin finanziell abgesichert sein, einen Einbürgerungstest machen und ausreichende Deutschkenntnisse aufweisen.

In der postmigrantischen Realität transnationaler Identitäten ist eine Ablehnung der Mehrstaatigkeit zudem eine überholte Haltung, die der Wirklichkeit einer modernen Migrationsgesellschaft nicht mehr entspricht. In Zeiten des demographischen Wandels, vermehrter Migration aufgrund von Krisen, Kriegen und des Klimawandels sowie des Fachkräftemangels in Deutschland ist die Nichtanerkennung dieser Realität sowohl überholt als auch nicht zukunftsfähig. Gleichzeitig offenbart sich ein Doppelstandard bei der Frage nach der Mehrstaatigkeit: Die Ablehnungshaltung gegenüber Mehrfachstaatsangehörigkeiten beschränkt sich auf einige bestimmte Nationalitäten, während sich an der doppelten Staatsbürgerschaft mit beispielsweise einem amerikanischen oder einem schwedischen Pass niemand zu stören scheint.

Gerade für Menschen der Gastarbeiter*innengenerationen würde die geplante Reform einen vereinfachten Zugang zur deutschen Staatsbürgerschaft bedeuten. Für sie, die dieses Land maßgeblich mit aufgebaut haben, ist die Ablehnung gegenüber dieser Reform ein Schlag ins Gesicht.

Dass die FDP den neuen Gesetzesentwurf einer „Entwertung der deutschen Staatsbürgerschaft“ gleichsetzt, ist angesichts der Tatsache, dass sie in ihrem Parteiprogramm für eine vereinfachte Einbürgerung bereits nach vier Jahren plädiert, mehr als erstaunlich; dass sie die deutsche Staatsbürgerschaft an die arbeitsmarktfähige Nutzbarkeit von Migrant*innen koppelt, jedoch weniger.

Teilhabe ist unabdingbar für das erfolgreiche Ankommen in einem Land, das ist schon lange kein Geheimnis mehr – scheint aber in der CDU noch nicht angekommen zu sein. Diese plädiert: „Erst Integration – dann Staatsbürgerschaft“ und stellt den Integrationsprozess als die berühmte Einbahnstraße dar, die er nicht ist und nicht sein kann. Ganz im Gegenteil belegen Studien, dass Einbürgerungen die wirtschaftliche und gesellschaftliche Eingliederung beflügeln[1][2]. Je schneller die Einbürgerung vonstatten geht, desto größer ist dieser Effekt. Wer weiterhin dagegen ist, argumentiert nicht aufgrund der Faktenlage, sondern aus politischer Überzeugung.

 

[1] https://ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2019/12/bessere-integration-dank-einbuergerung.html

[2] https://www.ifo.de/DocDL/sd-2020-11-gathmann-monscheuer-etal-einbuergerung-migranten-integration.pdf