Berlin, 7. Juli 2020
Die Bundeskonferenz der Migrant*innenorganisationen (BKMO) hat einen Begleitausschuss (BA) von Expert*innen eingesetzt, um den Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus kritisch zu begleiten. Diesen hatte dieBundesregierung im März – auch auf Druck der BKMO – eingesetzt.
Die Mitglieder des BA stellen fest: „Unsere Erwartung an die Bundesregierung ist klar. Wir erwarten ein Maßnahmenpaket, das dem selbstgesteckten Ziel der Bundesregierung gerecht wird: eine Rechtsextremismus und Rassismus freie und chancengerechte Einwanderungsgesellschaft zu schaffen. Zu viele Menschen haben bereits durch Rassismus ihr Leben verloren, es gibt in unserer Gesellschaft zu wenig Wissen über Rassismus –auch institutionellen Rassismus –und zu viele Menschen mit Migrationshintergrund haben aufgrund von Diskriminierung und Rassismus schlechtere Lebenschancen. Es kann keinen nachhaltigen gesellschaftlichen Zusammenhalt geben, wenn diese Missstände nicht behoben werden.Wir fordern daher Bundesminister Seehofer auf, die geplante Studie zu Racial Profiling und Rassismus in der Polizei durchzuführen. Das wäre ein wichtiges Signal für die zukünftige Zusammenarbeit mit dem Kabinettsausschuss.“
Der Bericht der ersten konstituierenden Sitzung des Kabinettsausschusses wurde am 20.05.2020 veröffentlicht 1. Der Begleitausschussder BKMO begrüßt darin das Ziel des Kabinettsausschusses, eine „Rechtsextremismus und Rassismus freie und chancengerechte Einwanderungsgesellschaft“ zu schaffen, ausdrücklich. Der von der BKMO eingesetzte BA plant analog zum Zeitplan des Kabinettsausschusses einen Maßnahmenkatalog als Agenda für eine „Rassismusfreie und chancengerechte Einwanderungsgesellschaft“ vorzulegen. Damit der Kabinettsausschuss wirkungsvolle Maßnahmen entwickeln kann, müssen die Expertisen von Menschen berücksichtigt werden, die von Rassismus betroffen sind, so fordert der BA. Dieser sieht folgende drei Punkte als essentiell an und fordert diese zu berücksichtigen, damit der Kabinettsausschuss seinen Auftrag erfolgreich erfüllen kann:
- Die Grundlage für die Arbeit des Kabinettsausschusses und die Konsultation mit der Zivilgesellschaft muss ein gemeinsames Verständnis von Rassismus sein. Ein wesentliches Ziel dabei ist die Erarbeitung einer gemeinsamen Definition von (institutionellem) Rassismus.
- Rechtsextremismus einerseits sowie Rassismus und die Gleichstellung von Menschen mit Migrationshintergrund in der Einwanderungsgesellschaft anderseits sollen als eigenständige Arbeitsbereiche behandelt und entsprechende wirksame und zu kontrollierende Maßnahmen auf dieser Grundlage erarbeitet werden. Für diese beiden Bereiche sind unterschiedliche Handlungskonzepte nötig. Auch wenn beide Themenbereiche Schnittmengen aufweisen, unterscheiden sie sich in Bezug auf ihregesellschaftlichen Ursachen und Wirkungenerheblich voneinander.
- Es bedarf konkreter Schritte, die die institutionelle Verankerung, eine dauerhafte und nachhaltige Auseinandersetzung mit den Themenfeldern Rassismus und chancengerechte Einwanderungsgesellschaft gewährleisten.
Im Vorfeld erwarten wir eine Stellungnahme der Bundesregierung auf die Inhalte unseres offenen Briefs an Bundeskanzlerin Dr. Merkel vom 27.02.2020, um darauf Bezug zu nehmen. Unsere Agenda wird die bisherigen Ideen und Forderungen von den Organisationen der von Rassismus betroffenen Menschen aufgreifen, operationalisieren und damit zu einem Impulsunsererseits für die Arbeit desKabinettsausschusses aufbereiten. Die im Bericht der konstituierenden Sitzung des Kabinettsausschusses beschriebenen vier Aspekte werden dabei als Handlungsziele aufgegriffen, die mit Maßnahmen unterlegt werden sollen:
- Stärkeres Bewusstsein für Rassismus als gesamtgesellschaftliches Phänomen schaffen sowie verbesserte staatliche Strukturen im Bereich der Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus; Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Sicherheitsbehörden, Justiz, staatlichen und zivilgesellschaftlichen Trägern sowie Verbesserung der empirischen Grundlagen;
- Prävention gegen Rechtsextremismus und Rassismus, Antisemitismus, Muslimfeindlichkeitund alle anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in Regelstrukturen aller gesellschaftlichen Bereiche ausbauen und stärken, auch im Netz; Weiterentwicklung der politischen Bildung und Demokratiearbeit;
- Ausbau der Unterstützung von Betroffenen von rassistischer Diskriminierung und sozialem Umfeld; Wirksamer Opferschutz und Verbesserung von nachhaltigen Strukturen der Rassismusbekämpfung;
- Anerkennung und Wertschätzung einer vielfältigen und chancengerechten Gesellschaft und Stärkung gleicher Teilhabechancen von Menschen mit Einwanderungsgeschichte.
Die Mitglieder des Begleitausschusses sind:
- Eva Andrades – Antidiskriminierungsverband Deutschland (advd)
- Ferda Ataman – neue deutsche organisationen e.V.
- Farhad Dilmaghani – DeutschPlus e.V.
- Sara Djahim – korientation e.V.
- Emran Elmazi – Dokumentations-und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma
- Martin Gerlach – Türkische Gemeinde in Deutschland e.V.
- Saraya Gomis – Each One Teach One (EOTO) e.V.
- Mamad Mohamad – Landesnetzwerk Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt (LAMSA) e.V.
- Dr. Deniz Nergiz – Bundeszuwanderungs-und Integrationsrat (BZI)
- Dr. Marta Neüff – Polnischer Sozialrat e.V.
- 1 Vertreterin der BKMO